Klassiker faszinieren immer wieder jede Generation aufs Neue. Eltern und Großeltern genießen es, beim Vorlesen von klassischen Werken gedanklich in ihre eigene Kindheit zurückzukehren. Besonders interessant wird es, wenn durch Neuübersetzungen und Neugestaltung das Werk in neuem Glanz erstrahlt. Antje Ehmann hat sich umgesehen und aus der Vielzahl der Neuausgaben sieben ausgewählt.
Lilly mischt die Schule auf von Enid Blyton
„Wie wahrscheinlich fast jedes Mädchen meiner Generation bin ich mit ganz verschiedenen Enid Blyton Geschichten groß geworden. Der Gedanke, auf so ein cooles Internat gehen zu dürfen, wie die Blyton-Heldinnen reizte mich damals sehr,“ erinnert sich Übersetzerin Gundula Müller-Wallraf. Nur das Lilly Allen die Aussicht, fortan nicht mehr alleine unterrichtet zu werden, sondern auf die Whyteleafe Schule zu gehen, alles andere als reizvoll findet. In der von Kate Hindley illustrierten Neuausgabe „Lilly mischt die Schule" auf bekommt man einen lebendigen Einblick in das Schulleben zu einer anderen Zeit und in einem anderen Land. Band 2 erscheint im Frühjahr und in „Lilly macht schon wieder Ärger" geht es dann um zwei neue Mitschüler, die ihr das Leben schwer machen. Band 3 liegt bereits auf dem Schreibtisch der Übersetzerin.
Das Elefantenkind von Rudyard Kipling
Auch Jonas Lauströer kannte die Geschichten von Rudyard Kipling bereits als Kind. Der Hamburger Illustrator arbeitet auf weißem und beigen Karton und verwendet Ölkohle, Aquarell, Deckweiß und Buntstift für seine ausdrucksstarken und originellen Illustrationen. Das Elefantenkind - Wie der Elefant zu seinem Rüssel kam ist im Kontext von Kiplings’ Kurzgeschichten entstanden, in denen er seinen Kinder Antworten auf deren Warum? - Fragen geben wollte. „Wie der erste Brief geschrieben wurde“ und „Wie der Leopard zu seinen Flecken kam“ lauten zwei weitere Titel. Der britische Schriftsteller, vor allem durch „Das Dschungelbuch“ berühmt, hat in den USA angefangen, Kindergeschichten zu schreiben. Das Elefantenkind kommt nun ganz neu zur Geltung, weil Lauströers Illustrationen schlichtweg meisterhaft sind.
„Super! schreit der Frieder, und die Oma kichert wieder" von Gudrun Mebs
Um eine Oma und ihr Enkelkind geht es bei den bekannten Vorlesegeschichten von Gudrun Mebs. In den zuallererst von Rotraut Susanne Berner illustrierten Bänden bekommen die Zuhörerinnen kurzweilige und humorvolle Episoden aus dem Leben der beiden liebenswerten Hauptfiguren präsentiert. Nun erscheint ganz neu geschrieben „Super! schreit der Frieder, und die Oma kichert wieder" und ganz neu illustriert von Catharina Westphal. „Ich kannte die Geschichten nicht. Aber Mebs schreibt so schön und lässt an den richtigen Stellen Platz für Bilder. Der Rahmen um die schwarz-weiß Illustrationen ist eine Reminiszenz an die vorherigen Arbeiten,“ so die Münsteraner Illustratorin. Pro kurzem Kapitel sieht man eine Situation in lebendig-stilsicherem Strich. Unter den Bildern findet sich je eine zentrale Textzeile.
„Pinocchio" von Carlo Collodi
Auch der weltberühmte Pinocchio von Carlo Collodi - 1881 zunächst in einer Kinderzeitschrift erschienen - ist klar in Kapitel aufgeteilt. Insgesamt 36 kann man vorlesen und sich hier auch an den Illustrationen des Brüsseler Künstlers Quentin Gréban erfreuen. Das Hausbuch ist bei NordSüd in der Reihe Illustrierte Klassiker erschienen und war bereits 2010 in einer gekürzten Ausgabe erhältlich. Nun also erscheint die Volltextausgabe und Kinder, die den lebendigen italienischen Holzgesellen noch nicht kennen, können sich an seinen Abenteuern erfreuen. „Ich selbst habe Pinocchio erst als Erwachsener entdeckt und habe mir absichtlich keine einzige andere Illustration zu diesem Klassiker aus Italien angeschaut, einfach um meine eigene Vision entwickeln zu können,“ so Gréban. Er arbeitet stets in einer Kombination aus Bleistiftskizzen und Aquarellfarben. Dabei strahlen seine Illustrationen stets eine eigenwillige Sanftheit aus.
„Unser Baum" von Gerda Muller
Auch Kindersachbuchklassiker können eine Neuauflage erleben, so wie Unser Baum von Gerda Muller. Nicht erst seit Wohllebens Bestsellern ist der Wald ein faszinierndender Lebensraum. Leo und Carolina haben einen Onkel der Förster ist, und sie haben einen ganz besonderen Freund - eine dreihundert Jahre alte Eiche. 1991 von Gisela Stottele übersetzt ist nun Silvia Bartholl für die Textbearbeitung zuständig. „Der deutsche Text hatte einen teilweise aus heutiger Sicht etwas betulichen Duktus. Ohne allzu große Eingriffe vorzunehmen, habe ich versucht, das etwas zu vermeiden. Außerdem wurden die Namen teilweise verändert,“ so die Übersetzerin. Alles in allem ein kluges und informatives Sachbilderbuch mit ausführlichem Anhang, das perfekt in die Grundschule und auch in die Familie passt.
„Die kleine Meerjungfrau und andere Märchen" von Hans Christian Andersen
Märchen werden auch heutzutage noch in den Familien vorgelesen und auch hier haben neuillustrierte Ausgaben ihren ganz eigenen Reiz. Die Reihe des Coppenrath Verlages spricht vor allem erwachsene Sammler und Buchliebhaber an. So aufwendig und raffiniert wie die Schmuckausgaben ausgestattet sind, das hat man in der Tat selten. Die kleine Meerjungfrau und andere Märchen von Dänemarks berühmtesten Dichter Hans Christian Andersen erscheint gerade ganz neu und begeistert mit zehn Extras. MinaLima Design sitzen in London und haben auch die Harry Potter Filme aufwendig ausgestattet. 12 seiner insgesamt 156 Märchen kann man hier lesen und aus dem hässlichen Entlein den schönen Schwan machen, mit einem Schieber dem Schweinehirten Küsse auf die Wange zaubern oder die einzelnen Matratzen der Prinzessin auf der Erbse aufklappen.
„Das Geschenk der Weisen" von O. Henry
Schlichter in der Ausstattung, aber mindestens genauso ausdrucksstark kommt ein Klassiker daher, der vor allem in die Weihnachtszeit passt. „Ein Dollar und siebenundachtzig Cent. Das war alles.“ - so lauten die ersten Worte. In der Insel-Bücherei Nr. 1453 erschienen ist die von O. Henry erstmals 1905 in der Sonntagsbeilage des New York Sunday World Magazine abgedruckten Geschichte von dem verliebten Paar, dass sich gegenseitig Geschenke macht. Ich kannte „Das Geschenk der Weisen" tatsächlich schon, weil meine Mutter mir begeistert davon erzählt hat. Die Idee war, die Geschichte möglichst so zu gestalten, dass sie historisch keiner bestimmten Zeit angehört. „Es wurden dann immer mehr Bilder und es war richtig viel Arbeit - zum Glück, denn ich mag es überhaupt nicht, wenn ein schönes Projekt aufhört,“ so Ulrike Möltgen. Man kann sich kaum entscheiden, an welchem Bild in ihrer raffinierten und außergewöhnlichen Collagetechnik man am längsten verweilen soll: die Stadtansicht im Tiefschnee, der Moment, in dem sie ihre kostbaren Haare abschneiden lässt oder wie sich das Paar umarmt.