Mittsommertage
Die Ethikprofessorin Ruth (55) und ihr Mann Ben (51) erleben nach dem Auszug der Tochter Jenny (20) ein Wechselbad aus beruflichen Erfolgen, emotionaler Beziehungsdistanz und Konfrontation mit Jugendtaten. Ruth wird in den Deutschen Ethikrat berufen, Ben gewinnt mit seinem Architektenbüro eine namhafte Ausschreibung in Berlin. Die Berufung motiviert Ruths Studienfreund Stav, ihr Dokumente eines gemeinsamen (erfolgreichen) Anschlags auf einen Strommast in den 80er Jahren anzubieten. Als die Eltern Jenny nach einer Umweltstraftat bei der Polizeiwache abholen, berichtet Ruth der Stieftochter von ihrer Vergangenheit und zeigt ihr die Dokumente. Jenny postet diese in der darauffolgenden Nacht voller Stolz in ihre community "Letzte Generation" und tags darauf ist alles online, der Ruf in den Ethikrat dahin, ihre Stellung an der Uni infrage gestellt. Und auch Ben ist unklar, ob er seine - gerade aufgeflogene - außereheliche Beziehung mehr wertschätzt als die Bindung seiner Tochter an Ruth. - Woelk gelingt in sieben Wochentagskapiteln ein gesellschaftspolitischer, philosophischer Gegenwartsthriller mit einigen religiösen Bezügen. Mit hohem sprachlichem Tempo und konkreten Bezügen zum Geschehen in den 80er Jahren und 2022 wird Familiengeschehen und politisches Engagement von und zwischen Eltern und Kindern fesselnd erzählt. - Sehr empfohlen.
Rolf Pitsch
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Mittsommertage
Ulrich Woelk
C.H.Beck (2023)
283 Seiten
fest geb.