Kiosk, Chaos, Canal Grande
Noah (11) ist mäßig begeistert, dass er seine Sommerferien bei seiner ihm unbekannten Großmutter Violetta Ferrari in Venedig verbringen muss. Einmal hat er sie vor Jahren an Weihnachten gesehen. Da hat sie seltsame Opernarien vorm Tannenbaum geschmettert und ist dann wieder abgezischt. Sehr herzlich ist der Empfang jetzt am Flughafen auch nicht gerade, aber Noah hat keine Wahl. Mama hat gerade ein außergewöhnliches Jobangebot in Berlin erhalten und Papa kämpft irgendwie mit sich und seinem nicht laufenden Spielzeugbusiness. Also muss er dieser resoluten Oma, die so nicht genannt werden möchte, durch italienische Gassen hinterhereilen. Die gut 80-Jährige führt noch einen kleinen Kiosk, der täglich von ihr betrieben wird. Noah hilft ihr natürlich dabei und lernt langsam Stadt, Kanäle, Bekannte, Freunde und Ehemänner von Violetta kennen. Früher hieß die nämlich mal Vera Müller, war dann aber viermal verheiratet und führte ein illustres Leben. Noah erfährt einiges über Beziehungen und Leben, "das Schöne und das Traurige" und freundet sich mit dem Mädchen Ombretta an. Er erlebt abenteuerliche und dramatische Momente. "Gut, dass du da warst", wird seine Großmutter ihm am Ende zuflüstern. In der Tat… Edgar Rai erzählt einen feinen Ferienroman, der mit einer ungewöhnlichen Enkel-Oma-Beziehung aufwartet. Oma Violetta ist schroff und darf es auch bleiben. Venezianische Atmosphäre sorgt für zusätzlichen Charme und Ich-Erzähler Noah ist ein kluger und humorvoller Beobachter, der sich zu helfen weiß. Dabei wird ihm ganz schön viel zugemutet und dass ein 11-Jähriger in einer Ausnahmesituation so viel allein regeln muss, ist eher traurig. Der Ton ist aber trotzdem leicht und versöhnlich. Noah schafft das! - Gerne empfohlen, auch jenseits der Sommerferien.
Anna Winkler-Benders
rezensiert für den Borromäusverein.
Kiosk, Chaos, Canal Grande
Edgar Rai ; mit Illustrationen von Katharina Grossmann-Hensel
dtv (2023)
170 Seiten : Illustrationen
fest geb.
Borromäus-Altersempfehlung: ab 9