Die Nöte des wahren Polizisten

Wer von dem durch den Kultroman "2666" (BP/mp 10/412) bekannt gewordenen chilenisch-spanischen Autor (1953-2003) einen Roman traditioneller Machart mit einer stringenten Handlungsentwicklung und einem kalkulierten Spannungsaufbau erwartet, wird von Die Nöte des wahren Polizisten diesem aus dem Nachlass Bolanos rekonstruierten Romanfragment enttäuscht. Zwar wird realistisch erzählt und ein lockeres Handlungsgefüge ist durchaus erkennbar. Dieses wird aber permanent überwuchert von Nebenhandlungen, literarischen Anspielungen und philosophischen Reflexionen, oder wie es im Text heißt von "extravaganten Schlenkern" (S. 142). Es ist ein grandios erzählter Text voller kalkulierter Unwucht, in dem scheinbare Inkohärenz und Exzentrik fast zur Methode erhoben werden. Oscar Amalfitano, ein 50-jähriger, mittlerweile verwitweter Philosophieprofessor und Vater einer 17-jährigen Tochter, entdeckt mit 50 Jahren seine homoerotischen Neigungen. Weil er sich auf ein Verhältnis mit einem seiner Studenten einlässt, muss er die Universität Barcelona verlassen und findet in der unbedeutenden mexikanischen Provinzuniversität Santa Teresa eine neue Stelle. - Wer den postum erschienenen Großroman "2666" bewundert hat, dürfte auch an diesem Romanfragment des chilenischen Kultautors Gefallen finden. Nicht nur in Bezug auf Stil und Machart zeigen sich deutliche Parallelen. Auch inhaltlich finden sich große Übereinstimmungen. Keine leichte Kost, aber für ambitionierte Leser sicher von Interesse! (Übers.: Christian Hansen)

Die Nöte des wahren Polizisten

Die Nöte des wahren Polizisten

Roberto Bolaño
Hanser (2013)

269 S.
fest geb.

MedienNr.: 380208
ISBN 978-3-446-23973-9
9783446239739
ca. 21,90 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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