Was man sieht, wenn man über das Meer blickt
Der Enddreißiger Andrea, Kunst-Lehrer, flieht während einer Ehekrise und Zweifeln am Sinn seines Lebens nach New York, an das er schöne Erinnerungen als Student hat. Was als Kurztrip beginnt, verlängert sich immer wieder, Andrea bleibt als Illegaler,
landet in der Obdachlosigkeit, bis er von der Familie Patterson aufgenommen wird, in der er sich wohlfühlt. Dennoch kehrt er nach langer Zeit zurück nach Italien zu seiner Frau, muss jedoch feststellen, dass sie längst ein neues Leben führt, sodass ihm klar wird, dass sein „Zuhause bei den Pattersons“ ist. Um dorthin zu gelangen, muss er allerdings auf illegalem Weg mit Hilfe von Schleppern über Mexiko einreisen und erleidet die Schrecken vieler Migranten. Der hübsche Einband erweckt den Eindruck leichter Urlaubslektüre ebenso wie der deutsche Titel. Der Originaltitel lautet: „Wenn das Leben, das du rettest, dein eigenes ist“. Der Eindruck, den dieser Roman hinterlässt, ist zwiespältig: Einerseits ist da der etwas nervige Protagonist, der nicht weiß, was er will und seinen Rückflug immer wieder ohne eigentlichen Grund verschiebt; auch sind da seltsame Metaphern: „Die Zeit faltet sich zusammen wie ein Origami“; „den Schädel voller spitzer Steine“; „seine auf blutgesäumten Hautwulsten kauernden Augen“. Andererseits ist die Story über die illegale Einreise mit der Beschreibung der Menschen, die Andrea unterwegs trifft, absolut packend und zu Herzen gehend. Der Teil verdient eine Empfehlung für am Thema Interessierte - und Geda-Fans sowieso.
Ileana Beckmann
rezensiert für den Borromäusverein.

Was man sieht, wenn man über das Meer blickt
Fabio Geda ; aus dem Italienischen von Verena von Koskull
hanserblau (2022)
314 Seiten : Illustration
fest geb.