Obszönes Verhalten an privaten Orten
Der zu Beginn 12-jährige italienische Ich-Erzähler Libero (!) ist mit seiner Familie gerade nach Paris gezogen und überrascht seine Mutter beim Sex mit einem Freund der Familie. Damit beginnt Liberos sexuelles Erwachen. Die nächste Etappe ist seine
Schwärmerei für eine Freundin der Eltern, die 30-jährige Marie. Sie wird zu seiner Ratgeberin in Fragen seiner Männlichkeit. "Das Obszöne ist der private Aufruhr der Seele, den jeder empfindet und den die freien Menschen einfach ausleben". Mit 16 macht er sich Sorgen darüber, dass er für Frauen so "unsichtbar" ist. Auch Lunette, die Schwester seines Freundes Antoine, reizt ihn mit ihrer Intellektualität. Nach dem plötzlichen Tod des Vaters muss Libero jobben, um die Studiengebühren zu bezahlen. Unterdessen versucht er, aus literarischen Vorbildern die Kunst der Verführung zu erlernen. Lunette und er haben eine intensive Affäre, und als diese sich abkühlt, leidet er sehr, findet aber bald Trost in einer weiteren Liebesaffäre, wobei er lernt, ein Kondom zu benutzen. Mit Anna aus Mailand hat er endlich die Richtige gefunden und ist sich "der Freiheit bewusst, der zu sein, der (er) war." Mit Mitte Dreißig ist Libero erwachsen. - Schon die erste Seite provoziert mit einem obszönen Begriff. Doch die Leser/innen erwartet eine amüsante Coming-of-Age-Geschichte mit vielen literarischen Zitaten; erotische Abenteuer werden beschrieben, aber nicht übertrieben ausgebreitet. Empfehlenswert für große Büchereien und literarisch versierte Leser/innen, die keinen Anstoß nehmen an den erotischen Passagen. (Übers.: Michael von Killisch-Horn)
Ileana Beckmann
rezensiert für den Borromäusverein.

Obszönes Verhalten an privaten Orten
Marco Missiroli
Tropen (2017)
297 S.
fest geb.