Serenade für Nadja
Maya wird Maximilian Wagner, einen 87-jährigen Professor aus Harvard, der die Universität Istanbul besucht, im Auftrag des Direktors ein paar Tage lang begleiten. Und die junge Türkin wird schnell von dem alten Mann in seinen Bann gezogen, da er
Zeugnisse aus der Zeit sucht, als er selbst in Istanbul lebte und an der Universität unterrichtete. Sie lernt von ihm, dass während der Naziherrschaft in Mitteleuropa viele jüdische Wissenschaftler in der damaligen Türkei Atatürks die Möglichkeit bekamen, wissenschaftlich zu arbeiten, und so einen wertvollen Beitrag für die türkischen Universitäten leisteten. Aber Wagner kommt nicht nur, um einen Vortrag zu halten, oder um an diese Zeit zu erinnern, sondern er kommt vor allem, um von seiner jüdischen Frau Nadja ein letztes Mal Abschied zu nehmen. Maya begleitet den alten Mann an die Küste des Schwarzen Meeres, in die Nähe des Ortes, wo 1942 das vollbeladene Flüchtlingsschiff Struma versenkt wurde. Der Professor nimmt an dem eisigen Februartag seine Geige, stellt sich am Strand in den Wind und beginnt zu spielen. Maya hört ergriffen zu. Und damit beginnt für sie eine große Umwälzung in ihrem Leben, denn nun lässt sie die Geschichte dieses Mannes, und wie sich herausstellt, die Geschichte ihrer eigenen Familie nicht mehr los. - Gekonnt verschmelzen in dem Romantext die Gegenwart und die Vergangenheit, die Sicht der Protagonistin und das Erleben des alten Professors, der sich verzweifelt darum bemühte, seine Frau von dem überfüllten Schiff zu sich nach Istanbul zu holen. Hier wird die tragische Geschichte einer einzelnen verfolgten Familie aus dem Zweiten Weltkrieg tief bewegend erzählt, aber dennoch voller Hoffnung und Glauben an eine bessere Zukunft. Sehr zu empfehlen!
Lili Aignesberger
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Serenade für Nadja
Zülfü Livaneli
Klett-Cotta (2013)
335 S.
fest geb.