Frühling
Es dauert ein bisschen, bis man die Handlungsfäden, die Ali Smith in "Frühling" spinnt, zu einem Geschichtengewebe verknüpft hat. Anfangs ist nicht gleich klar, was den Filmemacher Richard Lease, der damit beschäftigt ist, den Tod seiner Freundin
Paddy zu verarbeiten, das Schulmädchen Florence und Brittany Hall, Mitarbeiterin im "International Rescue Committee", verbindet. Man versteht, dass sie alle an einem Wendepunkt ihres Lebens angelangt sind und sich durch Zufall im schottischen Nirgendwo auf einem Bahnhof treffen, an dem keine Züge halten. Von dort beginnt eine mythische Reise mit einem Kaffeetruck, der keinen Kaffee verkauft, und erst nach und nach wird klar, dass das Abenteuer ein ganz konkretes Ziel hat und nichts anderes ist als eine moderne Underground Railroad-Geschichte. - Der neue Roman von Ali Smith ist eine Abrechnung mit den unmenschlichen Bedingungen, die in britischen Abschiebezentren herrschen, und richtet sich an Leser/-innen die, trotz sozialkritischem Interesse, eine poetische Erzählweise der realistischen vorziehen.
Antonie Magen
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Frühling
Ali Smith ; aus dem Englischen von Silvia Morawetz
Luchterhand Literaturverlag (2021)
315 Seiten
fest geb.