Shylock

Im Rahmen des Hogarth Shakespeare-Projekts erzählen bekannte Autor/innen Shakespeares Werke ganz persönlich neu; Howard Jacobson hat sich den "Kaufmann von Venedig" vorgenommen; das Stück gilt manchen als antisemitisch. Dafür versetzt der bekannte Shylock Autor ("Die Finkler-Frage") mit jüdischen Wurzeln den Original-Shylock ins moderne England, wo dieser Bekanntschaft mit dem Kunstsammler Simon Strulovitch schließt, jüdisch, aber nicht gläubig. Dieser wacht eifersüchtig über seine knapp 16-jährige Tochter, die mit dem eitlen Fußballstar Gratan anbandelt. Ebenfalls mit von der Partie: D'Anton, Kunsthändler und enger Freund der jungen Plurabelle, eine reiche Erbin und angesagte Medienfrau, in die sich wiederum sein guter Freund Barney verliebt hat und den D'Anton in seinem Werben unterstützt, wofür er Strulovitchs Hilfe braucht. - Herausgekommen ist ein intellektueller Roman voller Ironie über zwei verblendete Väter mit vielen Parallelen zum Original. Jacobson zeigt einen menschlichen Shylock, der immer noch wütend und voller Kummer über die verlorene Tochter ist, und Strulovitch als unsympathischen älteren weißen Juden, ein Bild, das durch lüsterne Bemerkungen über seine Tochter noch verstärkt wird. Die beiden diskutieren ausführlich über das Selbst- und Fremdbild der Juden und Fragen, die nach Shylocks Abgang im Original offen geblieben sind. Jacobsons "Kaufmann" ist überwiegend amüsant, kann aber kaum ohne das Original stehen. Zu unglaubwürdig sind die Handlungen, viele Figuren wirken wie Statisten. Wem der Klassiker jedoch präsent ist, erfreut sich an den Bezügen und z.T. wörtlichen Anspielungen und wird besonders Shylocks Auftritt im 5. Akt genießen, der ihm bei Shakespeare verwehrt geblieben ist. Als Leserin bedauerte ich jedoch die hohlköpfige Darstellung von Portia bzw. Plurabelle. - Für Kenner/innen des Originalstücks und zur Diskussion empfohlen. (Übers.: Werner Löcher-Lawrence)

Barbara Sckell

Barbara Sckell

rezensiert für den Borromäusverein.

Shylock

Shylock

Howard Jacobson
Knaus (2016)

284 S.
fest geb.

MedienNr.: 585654
ISBN 978-3-8135-0674-7
9783813506747
ca. 19,99 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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