Das ist Alise
Signe, eine alte Frau liegt auf der Bank in einer Stube in einem Haus an einem norwegischen Fjord - und denkt im Jahr 2002 zurück an einen Tag im November 1979, als ihr Mann Asle - wie so oft - nachmittags mit seinem Boot in den Fjord rausfahren wollte und nie wieder zurückkehrte, man fand später nur das leere Boot. Gleichzeitig stellt sie sich vor, wie es bei Asles Großonkel gewesen sein muss, der ebenfalls Asle hieß, und als Siebenjähriger im Fjord ertrank, als er sich mit seinem neuen Spielzeugboot beschäftigte. Dazwischen wird aber immer wieder die Perspektive gewechselt und Asle erzählt von jenem Abend, an dem er gegen alle Vernunft und eigentlich ohne Grund noch einmal in den Fjord hinausfuhr - warum er nie zurückkehrte, erfährt man letztlich aber nicht. Und für Signe vermischen sich alle Perspektiven und Zeiten, denn immer mehr stellt sich für sie heraus, "dass alles, was früher da war, immer da ist". - Diese Novelle des aktuellen norwegischen Literatur-Nobelpreisträgers erschien im Original bereits 2003, ist aber schon im typischen Fosse-Stil geschrieben, der auch sein Hauptwerk, die in drei Bänden erschienen Heptalogie (erschienen in drei Bänden: Der andere Name, Ich ist ein anderer, Ein neuer Name) auszeichnet: ohne Punkte und Unterbrechungen, ein großer Gedankenfluss oder Bewusstseinsstrom, der die Lesenden unweigerlich in seinen Bann und mit sich zieht. Ein guter Einstieg in die Literatur von Jon Fosse, gerade auch für kleinere Büchereien geeignet, die sich nicht ohne weiteres für die zusammengehörenden drei Bände der Heptalogie entscheiden können.
Thomas Steinherr
rezensiert für den Borromäusverein.
Das ist Alise
Jon Fosse ; aus dem Norwegischen von Hinrich Schmidt-Henkel
mare (2024)
116 Seiten
fest geb.