Unbefugtes Betreten

Ob sich bei der Gartenarbeit allerlei Arten von Todsünden zeigen oder der Zickzack des Strickpullovers an die Höhen und Tiefen einer Beziehung erinnert, immer gelingt es Julian Barnes, dessen Roman "Vom Ende einer Geschichte" (BP/mp 12/360) im letzten Unbefugtes Betreten Jahr mit dem Booker-Preis ausgezeichnet worden ist, das Unheimliche im Banalen aufscheinen zu lassen. Im ersten Teil des Bandes mäandern vier dialogische Szenen einer englischen Partygesellschaft durch die einzelnen Geschichten: "Bei Phil & Joanna" wird nicht nur die aktuelle Politik (von Obamas Problemen über die Boni von Bankern bis zur Vogel- und Schweinegrippe) besprochen. Mit Fortschreiten des Abends gleitet der Gesprächsstrom ab zu banaleren Themen wie Darmspiegelungen oder Sex. Großartig, wie Thomas Bodmer die Wortspiele der frei assoziierenden Oberschichtler ins Deutsche transferiert hat. Die fünf Erzählungen des zweiten Teils, die in ganz unterschiedlichen Epochen angesiedelt sind, behandeln jeweils einen unserer fünf Sinne (beziehungsweise dessen Verlust). Sehr eindringlich stellt sich der Erzähler in der letzten Geschichte, "Pulse", vor, wie der Vater zum Abschied von seiner sterbenden Frau duftende Kräuterpäckchen mitnimmt, weil er gehört hat, dass der Geruchssinn beim Sterben noch am längsten funktioniere. - Für anspruchsvolle Leser gerne empfohlen. (Übers.: Gertraude Krueger und Thomas Bodmer)

Karin Blank

Karin Blank

rezensiert für den Borromäusverein.

Unbefugtes Betreten

Unbefugtes Betreten

Julian Barnes
Kiepenheuer & Witsch (2012)

291 S.
fest geb.

MedienNr.: 572607
ISBN 978-3-462-04480-5
9783462044805
ca. 19,99 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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