Der Lärm der Zeit
Dimitrij Schostakowitsch ist ein schüchterner und zurückhaltender Mann. Eigentlich könnte er eine ganz normale, glückliche Ehe mit Nita führen und sich ihr und der gemeinsamen Tochter Galja widmen, wenn da nicht das ständige Spiel mit der Macht der Sowjetunion wäre. Es ist ein gefährliches Spiel, doch der Komponist kann ihm nicht ausweichen. Ständig muss er sich der Macht beugen, die ihn einerseits fördert und andererseits demütigt und gängelt. Aber das ist noch nicht das Schlimmste an der Sache, sondern der innere Wandel, der in dem Komponisten vor sich geht. Zunehmend wird er anpassungsfähiger, nimmt gar seine achte Oper zurück, die dem Komitee zu laut und zu schräg war, und fühlt sich dabei als miserabler Feigling. Doch, wie ein berühmtes russisches Volkslied sagt, kann derjenige, der Frau und Kind zu Hause hat, kein Held sein. So bleibt Schostakowitsch nichts Anderes übrig, als das Spiel des sowjetischen Staatsapparats mitzuspielen. Bis er eines Abends damit beginnt, sich reisefertig und mit einem sorgfältig für die bevorstehende Deportation gepackten Koffer vor die Aufzugstür seiner Wohnung zu stellen. - Ein packender, rührender Roman, in dem von der jahrzehntelangen Abhängigkeit der Künstler vom sowjetischen Staat und ihrem Umgang damit erzählt wird. Sehr zu empfehlen. (Übers.: Gertraude Krueger)
Clara Braun
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Der Lärm der Zeit
Julian Barnes
Kiepenheuer & Witsch (2017)
244 S.
fest geb.