Jeder Tag ist Muttertag

Ein packendes Psychogramm zweier Frauen, der schizophrenen, geistig leicht behinderten Muriel und ihrer paranoiden Mutter. Muriel ist trotz ihrer Behinderung in der Lage, sich an ihrer sich von Geistern verfolgt fühlenden Mutter auf alle mögliche Weise dafür zu rächen, dass diese sie (zu Unrecht) wie eine "hoffnungslose Idiotin" behandelt, sie auf alle nur denkbare Weise erniedrigt und alle ihre sozialen Kontakte hintertreibt. Einmischungen von außen, vor allem von Seiten des Sozialamts verhindert die Mutter so rigoros, dass nicht einmal Muriels mysteriöse Schwangerschaft und heimliche Niederkunft ruchbar wird. Verquickt damit ist die ebenso banale wie trostlose Geschichte eines Seitensprungs zwischen der für Muriel zuständigen Sozialarbeiterin und einem verheirateten Mann, der davor zurückschreckt seine unbefriedigende Ehe aufzugeben. Und es ist schließlich die Geschichte eines doppelten Mordes. - Der schon 1985 in London erschienene Roman der späteren zweimaligen Booker-Preis-Trägerin (2009 und 2012) ist raffiniert komponiert, fesselnd geschrieben und offenbart schon die ganze Eleganz und formale Meisterschaft dieser außergewöhnlichen britischen Autorin. Sie ist eine Poetin des Zwischenmenschlichen, die die Abgründe der menschlichen Existenz mit erschreckender Präzision und gleichwohl mit viel schwarzem Humor ausleuchtet. Sehr zu empfehlen. (Übers.: Werner Löcher-Lawrence)