Nie mehr Nacht
Markus Lee, Mitte vierzig und alleinstehend, reist in den Herbstferien in die Normandie, wo er im Auftrag eines Magazins Brücken zeichnen soll, die während der Landung der Alliierten schwer umkämpft waren. Begleitet wird er von Jesse, dem 15-jährigen Sohn seiner Schwester, der dort einen Freund besuchen will. Seine Familie hütet während der Ferien ein leer stehendes, halb verfallenes früheres Hotel am Strand. Dort nimmt auch Markus Quartier und gerät in den Bann dieses Hauses, das eine morbide Melancholie ausstrahlt. Die Reise von Markus und Jesse wird überschattet von der Trauer um Ira, Jesses Mutter und Markus' geliebte Schwester, die sich einige Monate zuvor das Leben genommen hat. Markus' Denken kreist fast unaufhörlich um Ira, die unter Ängsten und Depressionen litt, und er lässt im Rückblick Erlebnisse mit ihr wieder aufleben. Es wird immer deutlicher, dass im Hintergrund ein schuldbelastetes Familiengeheimnis verborgen liegt, das jedoch erst am Ende des Buches aufgedeckt wird. Markus verliert immer mehr den Halt im Leben. Er gibt alles auf, das Zeichnen, seine Hamburger Wohnung, all seinen Besitz und mit seinem Pass auch seine Identität. Eine Wende tritt ein, als er eine Frau trifft, die das genaue Ebenbild seiner Schwester zu sein scheint, aber so ist, wie Ira hätte sein können, wenn sie nicht seelisch krank geworden wäre. - In Bonnés Roman fließen mehrere Zeit- und Handlungsebenen ineinander; durch Hinweise auf literarische und künstlerische Werke werden weitere Verbindungen hergestellt. Die Motive des Verschwindens und des Todeskampfes verknüpfen die geschichtliche und die familiäre Tragödie. Und doch sind es Familienbande, Freundschaften und die Liebe, die Markus Lee letztlich wieder ins Leben zurückholen. (Nominiert für den Deutschen Buchpreis)
Lotte Husung
rezensiert für den Borromäusverein.
Nie mehr Nacht
Mirko Bonné
Schöffling (2013)
353 S.
fest geb.