Kirsten Boie erhält den Katholischen Kinder- und Jugendpreis der Deutschen Bischofskonferenz für das im Friedrich Oetinger Verlag erschienene Buch „Dunkelnacht“. Die Jury unter Vorsitz von Weihbischof Robert Brahm (Trier) hat das diesjährige Preisbuch aus 161
Titeln ausgewählt, die von 59 Verlagen eingereicht wurden.
Kirsten Boie erzählt die Geschichte von Marie, Gustl und Schorsch. Drei Jugendliche aus einer niederbayrischen Kleinstadt namens Penzberg. Über den Volksempfänger erfahren die Penzberger von der Befreiung der Stadt München und streben auch in Penzberg die Absetzung der nationalsozialistischen Funktionäre an. Vor allem aber soll die Umsetzung von Hitlers Nero-Befehl verhindert werden, der die Zerstörung aller vorhandenen Infrastruktur vorsieht. In nur 24 schicksalhaften Stunden werden 16 Menschen durch die Wehrmacht standrechtlich zum Tode verurteilt. Bei der Vollstreckung helfen soll der Werwolf, eine Untergrundorganisation, der auch der junge Gustl angehört. „Ganz gleich der biblischen Erzählung des barmherzigen Samariters, rettet Schorsch, Sohn des Polizeimeisters, einem Opfer das Leben und beweist sodann, dass man eine Wahl hat“, so Weihbischof Brahm. Die Leserinnen und Leser erleben das Abwägen Schorschs und kommen nicht umhin, sich Fragen nach der eigenen Haltung zu stellen.
Die Jury empfiehlt das Buch für Jugendliche ab 15 Jahren.
Der Katholische Kinder- und Jugendbuchpreis wird in diesem Jahr zum 33. Mal vergeben und ist mit 5.000 Euro dotiert. Die Preisverleihung findet am 2. Juni 2022 im Burkardushaus in Würzburg statt. Der Bischof von Würzburg, Franz-Josef Jung, wird den Preis überreichen. Die Laudatio hält Prof. Dr. Gabriele von Glasenapp. Moderiert wird die Preisverleihung von der Direktorin der Internationalen Jugendbibliothek in München, Dr. Christiane Raabe.
Der Jury des Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreises gehören neben dem Juryvorsitzenden, Weihbischof Robert Brahm (Trier), Frau Dr. Agnes Blümer (Literaturwissenschaftlerin Arbeitsstelle für Kinder- und Jugendmedienforschung ALEKI, Bonn), Herr Prof. Dr. Norbert Brieden (Religionspädagoge Bergische Universität Wuppertal, Wuppertal), Frau Kerstin Fuchs (Leitung Jugendhilfezentrum Johannesstift, Wiesbaden), Frau Bettina Kraemer (Leitung Lektorat Borromäusverein e.V., Bonn), Frau Dr. Heidi Lexe (Leitung Studien- und Beratungsstelle für Kinder- und Jugendliteratur Stube, Wien), Frau Dr. Theresa Kohlmeyer (Leitung Abteilung Glaube, Liturgie und Kultur im Bistum Essen, Essen), Frau Dr. Claudia Maria Pecher (Leitung Landesfachstelle für Büchereiarbeit und Präsidentin der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur, München) und Herr Prof. Dr. Markus Tomberg (Religionspädagoge an der Theologischen Fakultät Fulda, Fulda) an.
Dunkelnacht
Wozu ist ein ganz und gar durchschnittlicher Mensch fähig? In den letzten Tagen vor dem Kriegsende 1945 ereignen sich in der bayrischen Kleinstadt Penzberg schlimme Gräueltaten. In der Nacht vom 28. auf den 29. April werden acht Penzberger mitten in der Stadt gehenkt. Sieben weitere Menschen werden erschossen. Kein Stolperstein, keine Plakette erinnert an diese Nacht. Nur eine kleine Gedächtnisausstellung im Stadtmuseum, nach der man suchen muss. Inmitten dieses Geschehens spielt die fiktive Geschichte um Marie, Schorsch und Gustl. Drei Jugendliche, die diese dunkle Nacht ganz unterschiedlich durchleben. Marie ist die Tochter des Metzgermeisters Reithofer, Schorsch der Sohn des Polizeimeisters. Die Waise Gustl gehört der von Himmler ins Leben gerufenen Untergrundgruppe Kommando "Werwolf" an. Marie und Schorsch lernen sich in diesen Tagen kennen und sind zugleich vor die Entscheidung gestellt, auf welche Seite sie sich schlagen sollen. Gustl glaubt an den "Endsieg" und soll nun gegen die eigenen Nachbarn Tötungskommandos ausführen. Wie werden sie sich entscheiden? Kirsten Boie wagt sich mit ihrem Jugendroman an die Zeit der sogenannten "Endphasenverbrechen" im April 1945 heran. Hierbei orientiert sie sich an Archivmaterial und historischen Originalquellen. Die Namen der Opfer bleiben unverändert. Durch die Perspektive der drei Jugendlichen setzt sie der Geschichte die Fiktion eines moralischen Entscheidungsdilemmas auf. Somit zeigt sich deutlich: Schreckliche Verbrechen wurden durch die Atomisierung von Verantwortung legitimiert. Um so wichtiger ist das Handeln des Einzelnen. Der Autorin gelingt es, die Schrecken abzubilden ohne zu beschönigen und einen relevanten Beitrag zur Erinnerungskultur beizutragen. Besonders empfehlenswert.
Cornelia Braun
rezensiert für den Borromäusverein.
Dunkelnacht
Kirsten Boie
Verlag Friedrich Oetinger (2021)
127 Seiten
fest geb.
Die Preisträgerin
Kirsten Boie ist eine der renommierten deutschen Autorinnen der Kinder- und Jugendliteratur. Seit 1985 erzählt die promovierte Literaturwissenschaftlerin mit großem Erfolg Geschichten, darunter zahlreiche Reihen, die in diverse Sprachen übersetzt wurden. Für ihr Lebenswerk wurde sie 2007 mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises ausgezeichnet und erhielt 2011 das Bundesverdienstkreuz. Alle Preisgelder fließen in die eigene, gemeinsam mit ihrem Mann gegründete, Möwenweg-Stiftung, die Kinder in Swasiland unterstützt. Kirsten Boie lebt in Hamburg.
Empfehlungsliste
Die Jury des Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreises hat die diesjährige Empfehlungsliste veröffentlicht. Darunter sind »Das Pferd ist ein Hund« von T. Bach, »Dunkelnacht« von K. Boie und »Ich bin wie der Fluss« von J. Scott und S. Smith. »Die Bücher eröffnen Leserinnen und Lesern vom Kleinkindalter bis in die Jugend auf beispielhafte Weise einen Zugang zu christlichen Werten, religiösem Leben und Interkulturalität«, sagt die Jury über die Empfehlungsliste.
Das Lektorat des Borromäusvereins stellt diese Titel mit medienprofile-Rezensionen vor.
Die Entscheidung über das von der Jury bestimmte Preisbuch wird am 16. März 2022 bekanntgegeben. Die Preisverleihung ist für den 2. Juni 2022 in Würzburg geplant.
Webseite Katholischer Kinder- und Jugendbuchpreis
Empfehlungsliste mit medienprofile-Rezensionen zum Download (pdf)
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