Überglücklich, nervös oder erstaunt - Gefühlswelten im Kinderbuch
Auf der diesjährigen Nominierungsliste für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2021 steht auch ein bemerkenswertes Bilderbuch, in dem es um Gefühle geht: „Alfie und der Clownfisch“ von Davina Bell und Allison Colpoys. In welchen aktuellen Kinderbüchern werden noch mehr Gefühle dargestellt und in Geschichten verpackt? Antje Ehmann hat sich umgeschaut und acht Bücher für jede Gefühlslage entdeckt.
Einen interessanten Zugang zum Thema Gefühle bietet das Sachbuch „Checker Tobi - Der große Gefühle-Check: Freude, Wut und Traurigkeit - Das check ich für euch!“ Von der erfolgreichen Kinder-Wissenssendung gibt es schon mehr als 100 Fernsehfolgen. Nun ist Checker Tobi auch als Herausgeber tätig. Verantwortlich für die Buchtexte ist Gregor Eisenbeiß. Das Kindersachbuch bietet eine gelungene Mischung aus weitreichenden Sachinfos, Fotos, Illustrationen und erstaunlichen Perspektiven auf die Gefühle Ekel, Angst, Liebe, u.a.. Eine reiche Fundgrube, die auch ältere Kinder noch faszinieren können. „Unfassbar, wie viel von unseren Gefühlen abhängt! … Und wie wie cool die mit unserem Körper vernetzt sind. Wer hätte gedacht, dass ein Teil unseres Gehirns wie eine Mandel aussieht? Und dass Ekel uns vor Krankheiten schützt? Oder wie wichtig Angst und Trauer für uns sind?“, so Checker Tobi.
Kitakinder können mit Kathrin Schärer Gefühle entdecken und benennen. Sie wählt dafür Tiere aus und präsentiert diese auf je einer Doppelseite. „Da sein - was fühlst Du?“ beginnt auf dem Cover mit dem Glücklichsein. Maus und Eichhörnchen wirbeln im Kreis und schauen dabei ganz seelig und glücklich aus.
„Mit Tieren kann ich besser Emotionen darstellen. Gefletschte Zähne oder gesträubte Haare können beim Menschen schnell hässlich und für Kinder beängstigend wirken. Bei Tieren ist das kein Problem und mit den Fellstrukturen und Schuppenvarianten habe ich ein viel größeres Spektrum zur Verfügung als beim Menschen,“ so die Schweizer Illustratorin. Großartig, wie die drei Chamäleons beleidigt sind, der Fuchs sich langweilt oder der Hase sich ausgeschlossen fühlt. Ein Bilderbuch, das nur die Emotion darstellt und somit viel Freiraum für Gespräche gibt.
Ähnlich viel Freiraum bietet auch Theresa Bodner ihren Betrachtern, wenn auch in ganz anderem Stil. In der Technik der Collage vereint sie in ihren farbigen Papieren auf Graupappe Vögel, die all die verschiedenen Gefühle verkörpern. Bemerkenswert ist außerdem bei „In mir drin ist’s bunt“ die Verbindung von Text und Bild auf den konzentrierten Doppelseiten. Bei den Gefühlen entschlossen, mutig, selbstsicher, stark zeigt sie einen Vogel in der passenden Körperhaltung und stellt wie auf allen anderen Seiten auch, passende Redewendungen mit zur Verfügung. Dieser Dreiklang ist eine gute Idee und überzeugt. „Schon mit den Kleinsten Gefühle und Bedürfnisse zu benennen heißt, ihnen Worte und somit ein Rüstzeug für´s Leben mitzugeben. Dass dabei die gesamte Gefühlspalette ihren Platz und ihre Berechtigung hat, ist eine wichtige Botschaft meines Buches,“ so Bodner.
Und wie es sich anfühlt, wenn man überhaupt keine Lust hat, das vermitteln Suzanne und Max Lang in ihrem erzählenden Bilderbuch „Jim hat keinen Bock“. Schon das Cover macht sofort klar, der Affe schaut trotzt gestreifter Tröte im Mund absolut nicht begeistert. Die Einladung zu Stachelschweins Party bringt Jim völlig aus dem Konzept. Schon alleine der Gedanke an das Wort tanzen, versetzt ihn in Panik. Wie es dann doch noch ein gelungener Abend wird, das liest man Seite um Seite mit Begeisterung. „Im Fall von Jim Panse transportieren die Illustrationen zusätzlich zum Text verschiedenste Emotionen. Sehr gut zu sehen an Gestik und Mimik, die seinen Gemütszustand widerspiegeln. An seinem Verhalten erfahren die Kinder, dass es wichtig ist, zu seinen Gefühlen zu stehen und danach zu handeln, ohne allen gefallen zu müssen,“ so die Übersetzerin Pia Jüngert. Denn Jim lässt es sich einfach nicht einreden und tanzt nicht.
Der Hund in „Hallo Boss“ dagegen rückt ein wenig von seiner ursprünglichen Haltung ab und verändert sich im Laufe der Geschichte. Auch das ist eine wichtige Erkenntnis für Kinder, wie man sich von einem Gefühl zum anderen bewegen kann. Chris Chatterton hat eine sehr griesgrämige Hauptfigur erfunden. Boss ist ständig schlecht gelaunt und kann sich noch nicht Mal für seinen eigenen Geburtstag begeistern. Bis eines Tages ein anderer Hund in sein Leben tritt. „Im Grunde seines Herzens will Boss einfach nur geliebt werden. Für Kinder ist es wunderschön zu sehen, wie Boss sein Herz öffnet und den kleinen Hund hereinlässt, aber eben nur in Maßen,“ so Übersetzerin Kristina Kreuzer. In kurzen, knappen Sätzen und umso intensiverer Mimik geht es hier um einen Hund und seine Gefühle.
Bei „Julian feiert die Liebe“ sind wir wieder bei den Menschen und nach dem ersten Band „Julian ist eine Meerjungfrau“ legt Jessica Love noch einmal nach. Auch hier wird in wenig Worten viel gesagt. „Sie setzt die Sprache sparsam und gezielt ein und setzt auf bildgewaltige und zugleich feinfühlige Illustrationen,“ so Übersetzerin Tatjana Kröll. Die Liebe ist vermutlich das schönste und zugleich geheimnisvollste Gefühl und die amerikanische Künstlerin lässt die Betrachter an einem ganz besonderen Tag, dem Hochzeitstag, ganz nah mit dabei sein. Mit seiner Cousine Marisol und dem Hund Gloria erlebt Julian ganz eigenes auf diesem Fest. „Mir ist ganz wichtig, Kindern mitzugeben, dass jede Form der gegenseitigen Liebe wunderbar ist und gefeiert werden soll,“ ergänzt Kröll noch. Und so haben die beiden Bräute einen ganz feierlichen und gefühlvollen Tag erlebt und ihre Gäste auch!
Falls es dann doch einmal nicht ganz so sorgenfrei weitergehen sollte, steht dieses Bilderbuch mit Rat und Tat zur Seite. „Geh weg, Du Problem!“ macht vor allem Spaß - Kindern wie Erwachsenen! Flott gereimte Zweizeiler und auf den Illustrationen lebendiges Chaos und viel Witz und Humor. Das liest man vermutlich nicht nur einmal vor und auch manch einem Erwachsenen gibt es vielleicht einen hilfreichen Gedankenanstoß. „Abstrakte Probleme werden zu konkreten Monstern, die uns in allen Größen und vielerlei Gestalt begegnen. Diesen Einfall von Rachel Rooney umgesetzt von Zehra Hicks finde ich absolut genial. Und genauso überzeugend ihre Botschaft: gemeinsam lässt sich jedes Problem lösen - also nur Mut!“, so die Übersetzerin Stephanie Menge.
Neben Mut gibt es die Angst und all die anderen Gefühle, die mal angenehm und mal weniger angenehm sind. Katharina Grossmann-Hensel macht in ihrem neuesten Bilderbuch eine Parforceritt durch die Welt der Gefühle und stellt die viele davon originell in Text und Bild vor.
„Ich hab da so ein Gefühl - Ein Buch übers Kichern, Weinen, Wüten, Freuen“ verbindet die Darstellung der Gefühle mit einem Forschertag des Mädchens, die alles rund um die Gefühle verstehen möchte. Das Bilderbuch zeugt von großer Menschenkenntnis und geht unter die Haut. „Ich wünsche mir, dass Eltern und Kinder ins Gespräch kommen und zwar auf Augenhöhe. Denn Gefühle sind für alle gleich und verbinden uns miteinander. Auch wenn wir und nicht mehr vor Wut im Supermarkt auf den Boden werfen, weil die Welt nicht immer macht, was wir wollen, ist es auch für uns wichtig, Gefühle zu lesen - bei uns und bei anderen - sie anzunehmen und mit ihnen umgehen zu können,“ so die Berliner Künstlerin.