Mein Leben als Hoffnungsträger
Vor neun Monaten ist Philipp aus seiner WG geflogen, weil er allen mit seinem Putzfimmel auf die Nerven ging. Beim Silberpapieraufsammeln wird er von Uwe, dem Chef des Recyclinghofes, angesprochen. Er erkennt in ihm einen professionellen Sortierer, "einen wie wir". Auf dem Recyclinghof arbeiten noch zwei Portugiesen, Arturo und Joao, die immer nach Brauchbarem suchen, um es zu verkaufen - was verboten ist und erpressbar macht. An Gründonnerstag hat Joao ein Problem, er braucht über Nacht 150 Osternester. Die drei Kollegen beschließen zu helfen - gleichzeitig vertreiben alle Vier durch die kreative Zusammenarbeit ihre Langeweile am Leben. - Der mit Preisen ausgezeichnete Schweizer Autor Jens Steiner (Jg. 1975) erzählt Philipps Geschichte vom langsamen Heraustreten aus seiner Lethargie in einer poetischen Sprache, die um kreative Wortschöpfungen nicht verlegen ist. Ein typischer Satz Philipps lautet: "Ich schaue nur dem Fluss der Dinge zu. Wie er an mir vorbeirauscht" (S. 86). Darin versteckt er seine lakonische Konsumkritik. Überhaupt bietet der Autor neben dem locker erzählten Plot zahlreiche literarische und kulturkritische Anspielungen, die bei der Lektüre einen Resonanzboden für anspruchsvolle Leser erschließen.
Karin Blank
rezensiert für den Borromäusverein.
Mein Leben als Hoffnungsträger
Jens Steiner
Arche (2017)
189 S.
fest geb.