Die Henkerstochter und das Spiel des Todes
Im Jahr 1670 bereiten die Oberammergauer ihrem Gelübde gemäß öffentliche Passionsspiele am Friedhof vor. Während der Proben wird der Christusdarsteller gekreuzigt aufgefunden. Um die Aufklärung dieses Mordfalls kümmert sich der Schongauer Gerichtsschreiber Johann Lechner, der den örtlichen Henker Jakob Kuisl sowie dessen Schwiegersohn Simon Fronwieser, ein Bader, mit in den Ort nimmt. Gerüchte um ein Gottesgericht schwirren, merkwürdige Schnitzfiguren tauchen auf, die latenten Streitigkeiten unter den Bewohner brechen massiv auf. Zeitgleich wird die jüngere Henkerstochter in Schongau der Zauberei bezichtigt und in den Kerker geworfen. - Durch die zwei auseinanderliegenden Handlungsorte hält der Autor einen langen Spannungsbogen aufrecht. Zur Steigerung der Spannung spielt er v.a. mit Wetter- und Landschaftsunbilden, denen die Alpenbewohner mystische Hintergründe unterlegen. Das geschilderte historische Umfeld stützt sich offenbar auf örtliche Quellen. Bei den erwähnten Heilpflanzen allerdings geht es, was Wachstumszeiten u.ä. angeht, zu "wie Kraut und Rüben". Obwohl die Ereignisse im letzten Drittel des 17. Jh. angesiedelt sind, setzt der Autor bei vielen Beschreibungen auf Elemente, die zum gängigen Bild des dunklen Mittelalters gehören. Die meisten Protagonisten stellt er dagegen als zeitgemäß aufgeklärte Menschen dar. Das vorhandene soziale Gefälle zwischen den Schichten betont er bis hin zum Nachwort, in dem er gedankliche Verbindungen zur aktuell aufflackernden Fremdenangst zieht. - Breit einsetzbar.
Pauline Lindner
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Die Henkerstochter und das Spiel des Todes
Oliver Pötzsch
Ullstein (2016)
Ullstein-Taschenbuch ; 28737
646 S.
kt.