Bücherliebe von Anfang an - Herausragende, aktuelle Pappbilderbücher für die neue Buchgeneration
Vielseitige KünstlerInnen arbeiten für ganz junge Kinder. Es geht um Geschwister, Ernährung, Tiere oder fantastische Abenteuer. Was motiviert sie, in diesem Segment zu arbeiten und welche Perlen gibt es aktuell im Pappbilderbuchbereich?
Antje Ehmann hat sich umgeschaut, stellt acht empfehlenswerte Titel für Kinder ab zwei Jahren vor und fragt die IllustratorInnen direkt zu ihren Werken.
Mit dem Bilderbuch „189“ steht Elsa Klever auf der diesjährigen Nominierungsliste des Deutschen Jugendliteraturpreises. Nun legt sie mit „Tier hier“ ihr zweites Pappbilderbuch vor und überzeugt auch damit auf Anhieb. Da geht es nicht nur um einen Kanarienvogel, sondern um noch viel mehr Tiere.
„Ich finde die Vorstellung sehr schön und verlockend, das eines meiner Bücher das erste Buch sein könnte, das ein kleiner Mensch in die Hände bekommt,“ so die Hamburger Illustratorin. „So kann auch ich dazu beitragen, die Bücherliebe so früh wie möglich zu fördern und zu entfachen.“ Mit ihrer zündenden Idee, jedem Tier ein Adjektiv zuzuordnen, funktioniert das perfekt. Und die fantasievollen, humorvollen Szenen - eine Mischtechnik aus handgemalten Tuschezeichnungen und digital Gemaltem - sind ein echter Blickfang. Das brave Schaf, der schlaue Pfau oder der bunte Hund sprühen nur so vor hintersinnigem Witz und Lebendigkeit.
Weitere Besprechungen von
Antje Ehmann
Nur die Allerbesten und das von Anfang an - Pappbilderbücher (2024)
Sehr lebendig wirken auch die Geschwisterszenen, die sich Sonja Bougaeva für „Hurra, ein Baby!“ ausgedacht hat. Denn in diesem Fall wurden die farbigen Acrylbilder mit den Tierkindern zuerst entwickelt und dann die Gedichte - eingängige Vierzeiler - von Kathrin Lena Orso und Jens Ohrenblicker dazu geschrieben. „Man muss sich in die Welt des Kleinkindes versetzen. Was gehört zum Alltag? Welche Konflikte gibt es und wie löst man sie?“, so Bougaeva. Die Bilder sind einfach und plakativ, die Farben bunt und fröhlich. Die Herausforderung, am effektivsten eine Situation so zu zeigen, dass sie auch ein kleines Kind versteht und darüber lachen kann, hat die Illustratorin gemeistert. „Es sind eine Unmenge von Skizzen entstanden und am Ende nur wenige geblieben,“ so die Illustratorin weiter zu ihrer Arbeit an diesem Pappbilderbuch, das in ihrem unverkennbaren, malerischer Stil beeindruckt.
Auch Marion Goedelt begeistert seit vielen Jahren mit ihren Illustrationen im Schulbuch, aber auch im Erstlese- oder Bilderbuch. Nun legt auch sie ihre erste Sachbilderbuchpappe vor und entscheidet sich für Tiere. „So ein Buch ist perfekt für ganz kleine Kinder. Sie können es selber halten, alleine umblättern und es reißt nicht ein. Hier stehen die Bilder im Vordergrund und die Kinder können beim Lesen neue Welten entdecken,“ so Goedelt zu „Wo bist du zu Hause?“. Schön, wie sie hier ganz unangestrengt Wissen über das Zuhause der Tiere - Bienenwabe, Spinnennetz, Ameisenhaufen oder Schneckenhaus - mit der Frage nach dem eigenen Zuhause verknüpft. Jeweils auf einer Seite sind die Tierszenen zu sehen, während am unteren Bildrand der Text verläuft. Schön auch, wie die Tiere den Betrachter direkt anschauen und dass sie kleine, lustige Details wohl dosiert auf den Seiten präsentiert.
Was aufgetischt wird, das kommt nicht immer bei allen Familienmitgliedern gleich gut an. Cornelia Boese und Ina Hattenhauer nehmen sich in „Lecker-Schmecker-Reime“ dem Thema Essen an. Wer mit Kindern lebt, der weiß, dass es manchmal nicht leicht ist, neue Geschmacksrichtungen zu etablieren. Hier macht schon gute Laune, wie der Titel mit Buchstaben aus Essen - Erbsen, Brezelstück oder Karotte - auf den Teller arrangiert ist. Blättert man um, wird man mit einem flott gereimten Ratespiel überrascht. Links die witzige Tierszene und rechts die Mahlzeit. Denn die Antwort bzw. Lösung ist immer eine Speise, die fast alle Kinder kennen - Nudeln, Brötchen, Eis oder Gurke. „Reimen ist Spielen mit der Sprache und das können und lieben gerade die Allerkleinsten. Ich hatte bei den Versen aber auch die Eltern mit im Blick, denen das Vorlesen genau so viel Spaß machen soll! Wer mag, kann ja noch andere Leckerschmeckerreime zu Lieblingsspeisen erfinden,“ meint Boese zu ihrem Pappbilderbuch mit den kleinen Sprach- und Bilderrätseln.
Bei Mies van Hout´s neuester Pappe „Das ist mein Papa!“ werden die Kinder auch zum Mitmachen angeregt, genauer gesagt, zwischen einem der vier Möglichkeiten zu wählen. Sehr stabil und dunkelblau liegt das Suchpappbilderbuch in den Händen und die niederländische Erfolgsillustratorin sagt dazu „In Pappbilderbüchern kommen meine Arbeiten am besten zur Geltung. Da sie für ganz Kleine bestimmt sind, muss ich mich sehr klar und deutlich ausdrücken. Was möchte ich im Kern erzählen oder zeigen? Und wie erzähle ich so, dass Kinder es verstehen? Das hat mir bei dieser Pappe besonders viel Spaß gemacht. Endlos herumzuexperimentieren, bis mir das gelungen ist.“ Und tatsächlich macht es viel Spaß, zwischen den vier Möglichkeiten zu entscheiden und die vielen glücklichen Papas mit ihren Tierkindern zu betrachten.
Öfter alleine und für sich sind Kathrin Schärers Hauptfiguren in ihren Pappbilderbüchern „Nur noch eins“ und „Was steckt dahinter?“ zu sehen. Es geht darum, wie zufrieden es macht, etwas zu vollenden. So etwa das letzte Bauklötzchen, den letzten Buntstift oder das letzte Puzzleteil hinzufügen. In der zweiten Pappe der grandiosen Schweizer Illustratorin steckt wieder eine Aufforderung zum Mitdenken und Mitmachen. Auf verschiedenfarbigem hellem Hintergrund sieht man je ein Tier, dass etwas hinter dem Rücken versteckt. Was könnte das denn sein? Eine herrliche Idee, direkt aus dem Kinderleben. „Ich verarbeite auch oft Themen, hier beispielsweise bei den Pappen eigene Kindheitserinnerungen. Selbst habe ich sehr gerne mit Murmeln gespielt und lasse es nun die beiden Bärenkinder ausprobieren.“ Arbeitsgrundlage ist Schärers Freude und die Faszination an kleinen Kindern und ihrem Weltentdecken. Dieses genaue und sehr sensible Einfühlen - davon können Kinder auch hier wieder profitieren.
Rocio Bonilla hat diese Zartheit auch in ihren Illustrationen und vor allem in ihrer Farbkomposition. Gemeinsam mit Patricia Martin nimmt sie uns ganz ohne Worte mit in die Welt eines kleinen Kindes, das die Schwangerschaft der Mutter ganz deutlich wahrnimmt. Auf dem Cover sieht man es mit einem roten Luftballon unter dem Pulli und dem staunenden Blick, wie sich das wohl wirklich anfühlen mag? „Was versteckt sich in deinem Bauch, Mama?“ ist somit eine Art Leitfrage und nimmt die Betrachter mit an die Hand durch die charmanten Zeichnungen, einer Kombination aus Bleistift, Buntstift und Wasserfarben. „Ich mag es, in der Sprache der Kinder zu sprechen. So komme ich auf eine gewisse Art und Weise auch in meine eigene Kindheit zurück. Außerdem ist es auch eine echte Herausforderung, denn es gibt kein kritischeres Publikum!,“ so die spanische Illustratorin, die seit zehn Jahren für Kinder illustriert.
Für mehrere Altersstufen und in mehreren Techniken arbeitet Miriam Zedelius. In „Komm, Trecker fahren!“ begeistert sie mit einem Roadtrip für Zweijährige. Die beiden abenteuerlustigen Kinder machen sich auf den Weg mit einem roten Trecker und über zu wenig fantastische Erlebnisse können sie sich nicht beklagen. Da haben die dicken, grünen Tannen im Wald Gesichter, ein kleiner Bär will gerettet werden und mit Kaugummiblasen schaffen sie es sogar zu fliegen. „Die Welt ändert sich. Aber manche Dinge im Kindsein oder im Erwachsenenalter sind immer wieder dieselben. Sonst könnten wir uns doch nicht so gut Geschichten erzählen. Und wie trist wäre das Leben dann! Denn in Geschichten und beim Spielen ist einfach alles möglich. Ich denke beim Zeichnen nicht über das Alter der Zielgruppe nach. In mir ist wahrscheinlich noch viel Kind und was ich vergessen habe, erzählen mir meine drei Kinder neu“, so Zedelius.