Das Netz der großen Fische
Michele Caruso, RAI-Chef der TV-Lokalnachrichten in Palermo hält die Meldung über den Mord an der Tochter eines Abgeordneten der Linkspartei erst einmal zurück. Ist doch deren Verlobter, Sohn eines einflussreichen Politikers der Gegenpartei, des Mordes beschuldigt. Caruso braucht Zeit; er will sich über die Hintergründe informieren und kontaktiert seine Mittelsmänner, Zuträger aus dem Halbweltmilieu. Es geht darum, ja keinen Fehler zu begehen, um nicht unter die Räder jenes Apparates zu geraten, den die im Verborgenen agierenden Herrscher der Insel bereits ins Rollen gebracht haben. Der Tod der Politikertochter kommt einigen der heimlichen Machtmenschen gerade recht, um den jeweiligen politischen Gegner angreifen zu können und eigene Ziele, die in der Regel auch wirtschaftlicher Natur sind, durchzusetzen. Die Mordermittlung nimmt absurde Züge an, da der Justizapparat genauso verschiedenen Einflusssphären ausgesetzt ist wie die Medien. Nach einer Reihe von Winkelzügen wird letztlich der Mörder präsentiert, der sich aber der Festnahme durch Selbstmord - wie praktisch - entzogen hat. - Der Roman ist eine satirische, ironische und zuweilen auch komische Züge annehmende Abhandlung über die Verknüpfung von politischer Macht und der Medien mit der Mafia speziell unter der Regierung unter Berlusconi. Camilleri erleichtert dem Leser die Übersicht über die zahlreichen beteiligten Personen und deren Funktion durch eine Auflistung am Anfang des Buches. Eine teils vergnügliche, manchmal irritierende Lektüre, die aber bestens unterhält. Nicht nur den Fans des Kommissars Montalbano eindringlich empfohlen. (Übers.: Moshe Kahn)
Erwin Wieser
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Das Netz der großen Fische
Andrea Camilleri
Lübbe (2011)
218 S.
fest geb.